Stille, Dienst und Gemeinschaft: Exerzitien im Kloster Gerleve

Vom 12. bis zum 16. Mai durfte ich eine intensive und bereichernde Zeit im Benediktinerkloster Gerleve verbringen. Eingeladen zu einer Woche Exerzitien unter der Leitung von Pater Ralf, dem Organisten der Abtei, drehte sich in diesen Tagen alles um das Thema „Liturgische Dienste“. Es war eine Woche, in der die äußere Stille des Klosters eine innere Ruhe möglich machte, die sich selten im Alltag einstellt. Zusammen mit acht Küstern aus unterschiedlichen Gemeinden war ich als Kirchenmusiker Teil dieser kleinen Gruppe, die sich auf eine gemeinsame geistliche Reise begab.

Liturgische Dienste als geistliche Aufgabe

Pater Ralf führte uns in behutsamer, kluger und zugleich tiefgründiger Weise durch verschiedene Aspekte liturgischer Dienste. Im Zentrum standen dabei nicht nur die praktischen Aufgaben, sondern vor allem deren geistliche Dimension. Die Themen reichten von der Bedeutung des Kirchenraums als heiliger Ort über die liturgischen Gewänder bis hin zur inneren Haltung, mit der Dienste am Altar oder im Gottesdienst ausgeübt werden sollten. Unterhaltsam waren die Exkursionen ins Griechische oder auch Hebräische sowie der nah-östliche Blick auf die Liturgie. Pater Ralf hat 15 Jahre in der Dormitio in Jerusalem gelebt und konnte viele Anekdoten aus dieser Zeit erzählen.

Was auf den ersten Blick wie eine rein funktionale Aufgabe erscheint – das Bereitstellen von Leuchtern, das Anzünden der Kerzen, das Auflegen des Messbuchs – wurde durch die Erläuterungen Pater Ralfs zu einem spirituellen Dienst, der aus der Tiefe des Glaubens gespeist ist. Jeder Handgriff kann Gebet sein, jede Vorbereitung ein Beitrag zum Lob Gottes.

Der Rhythmus des Klosters

Der Tagesablauf im Kloster ist von Struktur und Gebet geprägt. Fünf Gebetszeiten – von der Laudes am Morgen bis zur Komplet am Abend – gaben unserem Aufenthalt einen wohltuenden Rhythmus. Das gemeinsame Beten mit den Mönchen in der Abteikirche – Gregorianik, schlichte Liturgie, ehrfurchtsvolle Stille – wurde zum geistlichen Fundament unserer Tage.

Dazwischen lagen die Impulse von Pater Ralf, Gespräche in der Gruppe oder auch Zeiten des persönlichen Nachdenkens. Das gute Essen im Gästehaus, das klösterliche Umfeld, das liebevoll gepflegte Klostergelände – all das trug dazu bei, dass körperliche und seelische Stärkung Hand in Hand gehen konnten.

Orte des Dienstes verstehen

Ein Schwerpunkt der Exerzitien war die Auseinandersetzung mit den Orten der liturgischen Dienste. Vom Altar über das Ambo, den Tabernakel und die Sakristei bis hin zum liturgischen Ablauf im Kirchenraum wurde jeder dieser Orte nicht nur funktional, sondern in seiner theologischen Tiefe beleuchtet. Der Altar als Zeichen Christi, das Ambo als Ort des lebendigen Wortes Gottes, der Tabernakel als Ort der verborgenen Gegenwart – all das sind nicht bloße Orte, sondern theologische Aussagen aus Stein, Holz und Raum.

Für mich als Kirchenmusiker war besonders die Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Raum, Ritus und Musik inspirierend. Wo Worte und Handlungen aufeinander bezogen sind, kann Musik liturgisches Geschehen nicht nur begleiten, sondern geistlich deuten.

Liturgische Kleidung und ihre Bedeutung

Auch die liturgischen Gewänder waren Thema: Albe, Stola, Kasel, aber auch die Kleidung von Messdienern, Lektoren und Kommunionhelfern. Welche Bedeutung hat das Weiß der Albe? Warum wird eine Stola unterschiedlich getragen? Und wie kleidet sich der Dienstende in einer Weise, die den liturgischen Raum achtet, ohne sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen?

Diese Fragen führten zu tiefen Gesprächen über unsere Haltung im Gottesdienst. Die Kleidung wird zum Zeichen, das auf etwas Größeres verweist – und fordert uns heraus, mit wachem Herzen und Hingabe unseren Platz im Gottesdienst einzunehmen.

Gemeinschaft im Geistlichen

Besonders eindrücklich war die Gemeinschaft, die in der kleinen Gruppe wuchs. Die acht Küster, alle mit jahrelanger Erfahrung, und ich als Musiker fanden rasch eine gemeinsame Sprache. Die Gespräche bei Tee oder beim Spaziergang durch die Münsterländer Hügellandschaft waren leicht und tief zugleich. Es entstand das, was man mit Fug und Recht geistliche Weggemeinschaft nennen kann.

Viele von uns teilten die Erfahrung, dass im Alltag der liturgische Dienst oft funktionalisiert wird – getaktet, pragmatisch, unauffällig. Hier in Gerleve aber wurde dieser Dienst zur geistlichen Berufung. Wir wurden eingeladen, neu zu sehen, neu zu hören, neu zu handeln.

Zeit zur Stille, Zeit für Gott

Neben all den Inhalten und Gesprächen war es gerade die Stille, die in Erinnerung bleibt. Das Schweigen zwischen den Gebetszeiten, das ruhige Gehen durch die Baumbergen, das Alleinsein mit Gott in der Abteikirche – das waren Momente tiefer Begegnung.

Diese stille Zeit war keine Leere, sondern ein Raum der Klärung. Fragen konnten auftauchen, ohne sofort beantwortet werden zu müssen. Gedanken durften sich setzen. Gott war gegenwärtig im Schweigen wie im Wort.

Ein geistlicher Impuls für den Alltag

Die Woche in Gerleve war keine Flucht vor dem Alltag, sondern eine Stärkung für den Alltag. Die Impulse über liturgische Dienste haben mir neu vor Augen geführt, dass jede liturgische Handlung – sei sie groß oder klein – eingebettet ist in ein geistliches Ganzes.

Ich kehre zurück in meine Gemeinde mit großer Dankbarkeit. Dankbar für die Gastfreundschaft der Benediktiner, für die Tiefe der Impulse von Pater Ralph, für die Gemeinschaft mit den anderen Teilnehmenden und für die Erfahrung, dass im stillen Dienst eine große Kraft liegt.

Liturgie lebt davon, dass wir sie nicht nur tun, sondern leben. Und dieses Leben wurde in Gerleve erfahrbar – im Gebet, im Dienst, im Hören und im Schweigen.

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